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Montag, 27. Mai 2013

Zwei Monate später


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Am Sonntagmorgen erzählte mir ein Junge, den ich gut kenne, was er am Tag vorher erlebt hatte. Er ist Mobilfunktechniker. Nachdem er 100 km nach Mbaiki ( 100 km von Bangui entfernt) zu seiner Arbeit zurückgelegt hatte, begegnete er zusammen mit einigen anderen auf dem Rückweg zur Hauptstadt  einigen Autos.
Ihr Fahrer, geblendet von den Lichtern, blinkte sofort. Unglücklicherweise waren es zwei Autos mit Seleka-Rebellen. Diese hielten das Auto an und der Oberst bedrohte den Fahrer mit einer Pistole. Sie schlugen ihn und sprachen Arabisch, um ihn einzuschüchtern. Schließlich griff ein anderer Rebell ein und befahl, aufzuhören.
Der Fahrer war durch die Fausthiebe und den Gewehrkolben am Kopf verwundet worden. Nachdem er medizinisch behandelt worden war, fuhren sie nach Bangui.
Der Junge schrieb mir: „Ich war nicht verletzt, aber ich war erschüttert, weil ich beobachten musste, wie jemand geschlagen wird, und ich konnte gar nichts tun!“
Das ist genau das, was ich fühle, wenn ich die Ereignisse hier in Zentralafrika betrachte. Wir hatten Staatsstreiche, aber diesmal ist es viel schlimmer! Zwei Monate lang plündern, schießen, töten und verletzen sie nun schon! Die Anwesenheit der Rebellen in diesem Land verursacht alle möglichen schlechten Dinge:
·         Die Behördenbediensteten laufen weg.
·         Die Soldaten und die Ordnungskräfte flüchten.
·         Schulen und öffentliche Ämter sind geschlossen.
·         Junge Kriminelle und Schläger stehlen, plündern und leeren buchstäblich die Häuser.
·         Es gibt ethnische und religiöse Spannungen.
 
Es ist schwierig herumzukommen, weil die Rebellen Hunderte von Autos gestohlen haben ( eins davon gehört uns, eins der Gemeinschaft von Bouar) ; außerdem ist da noch die Angst, schlechte Menschen zu treffen.
Diebstahl und Plünderung sind an der Tagesordnung.
In Bangui sah eine Witwe, Mutter von vier Kindern, die Rebellen kommen. Sie hatte schon alles im Jahr 2003 durch Plünderung verloren. Sie nahmen ihr die wenigen Möbel weg, kamen am nächsten Tag, als sie abwesend war, wieder, stahlen alles und besetzten ihre Wohnstätte. Die Witwe musste fliehen.
Es ist traurig, dass diese Geschichten nun tägliche Routine werden. Dasselbe geschah in Krankenhäusern, Schulen, Tankstellen, privaten Häusern in der Stadt, Kirchen und Klöstern, Gebäuden der Nichtregierungsorganisation…..die Schulen sind geschlossen, die Lehrer geflohen, die wenigen, die geblieben sind, haben Angst , zur Zielscheibe von Plünderung  oder Schlimmerem zu werden.
Außerdem ist die Staatskasse leer.
Es war sehr wenig in der Staatskasse drin, bevor die Rebellen kamen, aber beim Staatsstreich rissen die Rebellen alles an sich. Die Tankstellen verkauften Benzin und Gas sogar zu niedrigen Preisen!  Das war eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates. Das bedeutet, dass der Staat die Gehälter nicht auszahlt!
 
Zusätzlich gibt es noch andere beunruhigende Fakten:
·         Die Einmischung von Tschad und Sudan: Die meisten Rebellen sind Ausländer; sie sprechen kein Sango ( das ist die Nationalsprache), sondern Arabisch.
·         Die Kontrolle über Grund und Boden, besonders über die Gasfelder. Die größte Bedeutung hat das Ministerium für Benzin.
·         Es gibt überhaupt keine Kontrolle über die Rebellen. In der letzten Woche sagte einer von ihnen zu mir: „Erstens sind wir Rebellen, zweitens sind wir im Krieg und drittens ist das hier eine Provinz des Tschad.“
·         Es fehlen Entwicklungsprogramme. Die Zentralafrikanische Republik hat in 50 Jahren Unabhängigkeit noch niemals eine Schule mit Staatsgeldern gebaut.
·         Das islamische Element: Die Hälfte der Minister in der neuen Regierung sind muslimisch. Die meisten Plünderungen und Diebstähle erleiden Nicht-Muslime, vor allem Katholiken.
·         Das alles ist sehr Besorgnis erregend, wenn man berücksichtigt, dass das Zusammenleben ganz gut gewesen war.
·         Das totale Zusammenbrechen aller Wirtschafts- und Handelsaktivitäten und die Aussicht, dass die Investoren fliehen, weil sie bestohlen und bedroht wurden.
 
Ich denke  in diesen Tagen der Angst und der Spannung oft an einen Psalm: „ Gerät alles ins Wanken, was kann der Gerechte noch tun?“ ( Psalm 11,3 )
Während dieser Monate sage ich oft zu den Menschen, besonders zu den jungen Leuten: „Man muss nachdenken!“  Das Land ist auch deshalb in dieser Lage, weil man den  Problemen keine Beachtung schenkte.
Bei 51,4% Analphabeten, bei überfüllten Klassenzimmern ( oft mehr als 100 Schüler ), bei einer nicht vorhandenen Justiz, bei einer egozentrischen Gesellschaftsschicht, die sich nur um den Gewinn kümmert……“ was kann der Gerechte tun?“
Es ist offenkundig, dass Ausbildung und Erziehung auf allen Ebenen und unter allen Gesichtspunkten unbedingt nötig sind.
Deshalb verlassen wir das Land nicht und halten unsere Schulen geöffnet!
Deshalb rufen wir um Hilfe!
Zentralafrika ist kaum bekannt, es hat sehr wenig internationale Bedeutung.
Die wichtigste Nachricht über Zentralafrika  in den vergangenen zwei Wochen war die Tötung von 26 Elefanten! Das ist von Bedeutung, natürlich.
Aber wir hatten mehr als 300 Tote seit dem 24. März, Vergewaltigungen, Verletzungen und Plünderungen…….Zentralafrika ist wirklich in Gefahr, sich selbst überlassen zu bleiben und eine Hölle auf Erden zu werden.
Wenn wir schreiben, um Hilfe rufen und bewirken, dass der eine oder andere inne hält und zuhört…….vielleicht kann etwas getan werden!
Die Kirche, besonders in der Gestalt des mutigen Erzbischofs von Bangui, ist eine der wenigen, seltenen Stimmen, die das Gewissen der Menschen aufzurütteln versuchen……
Wir wollen weiter darüber sprechen und hart arbeiten, damit das alles in Zukunft nicht wieder geschieht.






 




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