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Samstag, 11. Januar 2014

Wenn die erste Woche im neuen Jahr so aussieht...






Montag und Dienstag, 6.und 7. Januar 2014
 
Zwei ziemlich ruhige Tage. Ich gehe in die Stadt hinunter, um den Imam zu begrüßen und in den nördlichen Stadtteilen nach dem Rechten zu sehen, wo einige Fulbe (mit Hilfe der Seleka, gegen die Anti-Balaka) einige Häuser angezündet haben, weil sie vermuteten, dass sich dort  Anti-Balaka aufhalten könnten.
Die Stadtteile sind leer… seltsam leer. Wir sehen mindestens 20 Häuser, die nach dem Angriff vom Sonntag angezündet worden waren. Die Zusammenstöße zwischen der Anti-Balaka und der Seleka haben seit dem 6. Dezember mindestens 100 Tote zur Folge gehabt, wie es das Rote Kreuz bestätigt.
Letzte Nacht ist ein kleines Kind von zwei Jahren gestorben, vermutlich an Malaria.
 
Mittwoch, 8. Januar 2014
 
Ich muss 300 Liter Diesel für die Orange-Antenne besorgen und fahre dazu nach Paoua.
Ich nutze dies als Vorwand, um am Nachmittag zu den Anti-Balaka außerhalb der Stadt zu gehen. Sie sind sehr zahlreich (mindestens 400 nur auf diesem Posten) und werden zunehmend nervöser.
Ich stelle die Probleme vor:  die Öffnung der Schulen, die seit einem Monat geschlossen sind, und die Nahrungsversorgung  der Stadt  (alle Wochenmärkte, wo die Menschen die Produkte kaufen,  sind geschlossen). Aber es ist immer dieselbe alte Leier: Die Seleka und die Moslems brauchen nur die Waffen niederzulegen…die Seleka braucht nur abzuziehen…
Sie sagen, wenn das einmal erreicht sei, würden sie vom Krieg ablassen und friedlich in ihre Dörfer zurückkehren.
Gegen 18.30 Uhr fangen sie an, in der Stadt zu schießen, aber wir wissen nicht genau, was los ist. Sehr viele Schüsse und Freudenschreie der muslimischen Bevölkerung sind zu hören. Wir erfahren, dass ein General der Seleka  von  Bangui gekommen ist, um  das Kontingent in Bozoum  zu verstärken. Es handelt sich um sechs bis zehn Autos und eine entsprechende Anzahl von Rebellen.
Kein Kommentar!
 
Donnerstag, 9. Januar 2014
 
Eine Nacht ohne Schüsse!
Am Vormittag gehe ich zum Krankenhaus, und während ich dort bin, geht eine Gruppe von 50 Fulbe, die mit Macheten, Pfeil und Bogen und auch mit drei oder vier Kalachnikovs bewaffnet sind, über den Hof.
Sie gehen zum Fluss Ougham, wo die Seleka am Tag zuvor angekommen ist. Letztere sind vor einer Stunde aufgebrochen, um die Straße zu räumen und die Anti-Balaka zu vertreiben.
Trotz der Entfernung hören wir viele Schüsse und  gegen Mittag steigt viel Rauch in jener Richtung auf: Wahrscheinlich hat die Seleka ein Dorf oder mehrere  in Brand gesteckt.
Um 17.30 Uhr kommen die neuen Seleka-Rebellen an. Es sind ein Polizeidirektor (!!!)  und andere Seleka-Rebellen (einige aus Zentralafrika, andere aus dem Tschad).  Wir treffen uns mit ihm und seinen Männern. Viele Flüchtlinge sind dabei. Er will, dass die Leute in die Stadt zurückkehren. Wir hören zu, und dann ergreife ich das Wort.  Ich sage ihm, dass die 3000 Menschen, die in der Missionsstation Zuflucht gesucht haben, nach mehr als einem Monat müde sind. Meinetwegen könnten sie sofort aufbrechen, aber es gibt ein Sicherheitsbedürfnis. Die Menschen sind den Aktionen der Seleka und ihrer Rache ausgesetzt; sie haben Angst  vor den Waffen der Moslems und der Fulbe.
Ein Mann und eine Frau ergreifen das Wort und sie sprechen über  ihre Befürchtungen und ihre Angst, zurückzukehren,  weil sie den Seleka-Rebellen ausgeliefert seien.
Nach einem guten Austausch beschließen wir, uns morgen Vormittag wieder zu treffen, weil sie aufbrechen mussten.
Wir haben es immerhin geschafft zu sprechen, und ich habe auch ein Seleka-Mitglied wütend gemacht, der den Leuten mit dem Maschinengewehr drohte, um sie auf Distanz zu halten. Ich habe ihm gesagt, er solle damit aufhören,  weil ich in meinem Haus so ein Verhalten nicht erlaube.  Während der ganzen Sitzung hat er mich schief angesehen!
Aber wie viele werden bleiben? Und wenn sie gehen, werden die Anti-Balakazurückkehren?
Schließlich haben die Menschen kein Vertrauen  und wollen nicht nach Hause zurückkehren, solange die Seleka da ist.
 
 Freitag 10. Januar 2014
 
 7.30 Uhr: Wir haben uns alle pünktlich versammelt…aber nach einer Stunde ist noch niemand von der Seleka eingetroffen, und wir gehen wieder.
Gegen 9 Uhr kommen der Imam und die Seleka an und wir beginnen mit der Versammlung.  Der Chef der  Gesandtschaft, der „General“ der Polizei (!), Adoum Rakis, sagte, dass er des Friedens wegen gekommen sei,  dass er für alle da sei, dass die Regierung wegen Bozoum sehr besorgt sei, dass die Menschen nach Hause gehen müssten, bla bla bla bla.
Die Menschen sprechen und fragen ihn, ob er garantieren könne, dass sie nach ihrer Rückkehr nicht von den Seleka-Rebellen belästigt und bedroht werden. Sie fragen ihn auch, warum sie nicht die Moslems und Fulbe, die Kriegswaffen hätten, entwaffnen. Der „ General“ sagt, dass er schon eine Liste mit zwei Personen, die eine Kalaschnikov  besäßen, habe. Wir haben hingegen eine Liste mit den Namen von mindestens 55 Personen!
Ich erinnere die befreundeten Moslems, die Fulbe und die Seleka-Mitglieder daran, dass das Problem nicht die Anti-Balaka, sondern die Seleka ist:  Wenn die Seleka sich davonmache, würde die Anti-Balaka wahrscheinlich die Waffen niederlegen und in ihre Dörfer zurückkehren.
Wir erwähnen immer wieder die Übergriffe und schließlich auch, dass die Seleka Ngaina Jerome, einen Katecheten, am Mittwoch verhaftet und gefoltert hat und der kurz davor stand, getötet zu werden: Ihm wurde vorgeworfen, ein Anti-Balaka-Mitglied  zu sein.
Sie lassen ihn als Zeichen der Menschlichkeit frei. (Leider scheinen die Rebellen der Seleka sich in den Dörfern mit den Insignien der multinationalen afrikanischen Truppe, der FOMAC, präsentiert und so die Menschen verwirrt zu haben).
Nach der langen Versammlung erreicht uns die Nachricht von der Abdankung des Präsidenten Michel Djotodjia und des Premierministers. Die Menschen sind zurückhaltend, aber es kommt immerhin ein bisschen Freude auf.
Um 15 Uhr gehe ich mit dem Roten Kreuz los, um die Dörfer am Ortsausgang von Bozoum an den Straßen nach Bocaranga und Paoua in Augenschein zu nehmen, wo gestern gekämpft wurde. Glücklicherweise gab es dabei nicht viele Tote, aber die Seleka hat sich gerächt und hat in den Dörfern Pont Ouham, Doussa, Camp 5 und Boyele 440 Häuser (von 520) in Brand gesteckt.
Wie traurig ist es, die abgebrannten Häuser und die zerstörte Ernte zu sehen!
Einzigartig ist hingegen dies: In Boyele hat ein Katechet sein Haus mit einem Schloss und einem Rosenkranz verschlossen. Die Seleka hat nicht gewagt, Feuer zu legen oder die Türen aufzubrechen!
Wenn alles gut geht, werde ich morgen die von der Seleka niedergebrannten Dörfer an der Straße nach Bangui ansehen.







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